Noch nässt die Wunde, die sich die Kasseler SPD mit ihrer grottigen Performance in Sachen „Kohleausstieg“ selbst geschlagen hat.
In der Politik gilt es als probates Mittel die Heilung voranzutreiben, in dem mensch an anderen Fronten in die Offensive geht. Das bringt in dem Fall zwar den Klimaschutz nicht weiter. Tut aber der geschundenen SPD-Seele gut. Und irgendwo müssen ja Prioritäten gesetzt werden. Spannend aber nicht überraschend, dass es SPD-Linke sind, die da in die Offensive gehen.
Für die jungen Leserinnen und Leser hier, die sich fragen, was „SPD-Linke“ wohl sein könnten. Das sind die SPD-Mitglieder, die auch nach der Auflösung der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD immer noch nicht den Absprung aus der Partei geschafft haben. Interessanterweise gibt es auch sehr junge SPD-Linke. Das sind die, denen niemand von der Auflösung der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD was erzählt hat. Junge und alte SPD-Linke eint, dass sie in der SPD nichts zu melden haben. Deswegen plakatieren z.B. SPD-Linke in Kassel gegen den Bau von Luxuslofts, während unter der Verantwortung eines SPD-Oberbürgermeisters davon reichlich gebaut werden.
Aktuell attackiert der Alt-SPD-Linke Sprafke Grüne und Linke, weil sie der Verlegung des Fernbusbahnhofs in Kassel nicht zugestimmt hätten. Grüne und Linke hätten mit ihrer Ablehnung bewiesen, dass sie – anders als die wackere SPD – nicht für eine „sozial unterlegte ökologische Politik“ eintreten würden.
Nur so am Rande wette ich erst einmal meine gesamte Briefmarkensammlung, dass die wackere SPD diesen Antrag niemals nicht gestellt hätte, wenn der zuständige Dezernent ein SPD-Parteibuch hätte.
Aber als alter Busfahrer habe ich dazu natürlich auch inhaltlich eine Meinung. Ich finde spannend, was die SPD mit ihren Alt-Linken so unter Verkehrswende und einer sozial unterlegten ökologischen Politik versteht. Ein Verkehrsmittel (Bus), dass Individualverkehr bündelt wollen die Sozen von den Hauptverkehrsstraßen vertreiben. Rigide Eingriffe wie z.B. „Pop-up-Bikelanes“ oder den Rückbau von Straßen, die zu einem Rückgang des motorisierten Individualverkehrs führen würden, sind der Sozen Sache nicht. Den Atem der Freie-Fahrt-Für-Freie-Bürger-Fraktionen CDU und FDP im Nacken geht der SPD und ihren Linken solcherart spürbare Verkehrswende zu weit. Da wird dann putzigerweise vom SPD-Alt-Linken Sprafke darauf verwiesen, dass Flixbus aber kein niedliches startup mehr ist (richtig). Dass aber das Festhalten auch der Kasseler SPD an der selbstverständlichen Bevorzugung des motorisierten Individualverkehrs eine Verbeugung vor der auch in der Region starken Automobilindustrie (VW, Mercedes) ist, die nach meiner Kenntnis auch keine niedlichen startups sind, fällt dem Partei-Linken Sprafke nicht ein. Dass es eine ziemlich billige Verkehrswende ist, die paar Fernbusse aus den Hauptstraßen zu nehmen, sich den Autolawinen, die ansonsten tagtäglich dort entlang walzen, aber nicht wirksam entgegenzustellen, fällt dann dem für die Linken reaktivierten Alt-Linken Boeddinghaus ein, der sein Geld lange Jahre als Taxi-, LKW- und Busfahrer verdient hat. Tatsächlich ist der politische Ansatz der SPD die klassische Version einer Wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass-Politik. Den Anwohner*innen entlang der Hauptstraßen gegenüber kann (und wird!) die SPD mit diesem tollen Erfolg der Verlegung des Fernbusbahnhofs mit einer entsprechenden minimalen Verringerung der Verkehrsbelastung prahlen. Mit einer wirklichen Entlastung, mit einem wirklichen Umsteuern in der Verkehrspolitik hat das aber rein gar nichts zu tun. Das weiß ziemlich sicher auch der SPD-Alt-Linke Sprafke. Aber ach, die Auflösung der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD ist schon so lange her. Da kann mensch glatt vergessen wie das ist, wenn mensch richtige Politik macht.